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Speerfischen bei Mondschein in Shizuoka von Angela Berg

30. 11. 2021

 

Als Ernährungsberaterin und Reisejournalistin hat Angela Berg immer wieder festgestellt, dass der Weg zum Verständnis anderer Kulturen auch durch die Küchen führt und sie schreibt darüber auf dem Blog auf Tellerrand Stories. Die japanische Küche interessierte sie schon lange vor ihrer ersten Japanreise im Jahr 2019. Eines der prägendsten Food-Erlebnisse dieser Reise nach Tokyo und Shizuoka war für sie das Speerfischen bei Mondschein.

 

Speerfischen auf dem Hamana Lake. Wie eine uralte Jagdmethode den Sinn für Nachhaltigkeit schärft

 

Ein sehr warmer Spätsommertag im September neigt sich dem Ende. Ikuya Yamamoto belädt sein Flachboot mit allen Utensilien, die wir in dieser Nacht für den Fischfang benötigen. Das wichtigste Werkzeug von allen ist der Mori, ein traditioneller zwölfzackiger Speer.  Aber auch „Kabuse Ami“, kleine Fangnetze und eine Kühlbox für den „Catch of the Night“ werden mit an Bord genommen. Dann kann die nächtliche Tour über den Lake Hamana in der Präfektur Shizuoka beginnen.

 


Am Hamana See in Shizuoka geht die Sonne unter. Zeit, das Boot mit dem Fischerei-Werkzeug zu beladen. | Foto: Georg Berg

 

Der Fahrtwind ist nach diesem heißen Tag eine willkommene Erfrischung. Ikuya Yamamoto steuert sein Boot aus der mit vielen zweistöckigen Wohnhäusern umbauten Wasserstraße heraus auf den offenen See. Seit einem Erdbeben ist der Hamana See mit dem Pazifik verbunden. Durch diesen neu entstandenen Zugang zum Meer haben sich hier die Fischbestände verändert. Besonders gut für das Speerfischen eignet sich der flache südliche Teil des Gewässers. Ikuya gibt richtig Gas, wir fliegen über das Wasser und in der Ferne zieht ein gewaltiges Gewitter auf.

 


Ikuya Yamamoto erklärt uns, wie wir den Speer zu halten haben. Der Vollmond schaut ihm dabei über die Schulter. | Foto: Georg Berg

 

Zwölf Zacken und zwei scharfe Augen

 

 

Das Speerfischen gehört zu den ältesten Techniken der Jagd auf Fische und Krebse. Es wird in vielen Ländern der Erde praktiziert. Diese sehr Ressourcen schonende Art der Fischerei gibt keinen ungewollten Beifang und keine Umweltschäden durch Netze oder Leinen. Alle Fische und Krebse werden vom Fischer einzeln ins Visier genommen. Was es braucht sind die zwölf Zacken des Mori, zwei scharfe Augen und Balance. In der Präfektur Shizuoka bietet die Gemeinde Hamamatsu Takiya-Ryo Speerfischen bei Nacht für Touristen an. Es ist ein sehr intensives Erlebnis. Durch die hereinbrechende Dunkelheit und den einen kleinen Lichtkegel, in dem sich die Jagd abspielt, ist man beim Fischen sehr fokussiert. Beim Speerfischen sollen wir uns ausschließlich auf den Gewässergrund konzentrieren, aber heute ziehen die Lichtblitze am Himmel unseren Blick immer wieder auf sich.

 


Auf dem Weg zu den südlichen Fanggründen des Lake Hamana kommt man auch an dem im Wasser stehenden Tor Bentenjima vorbei | Foto: Georg Berg

 

Ungefähr 800 verschiedenen Fischarten gibt es im Hamana See, erzählt uns Ikuya Yamamoto. Er hat sich selbstständig gemacht und bietet zwischen Mai und Oktober Nachtfahrten auf dem See für Touristen an. Speerfischen wird auf dem Lake Hamana bereits über 100 Jahren praktiziert. "Takiya-Ryo" nennen die Japaner diese Art des Fischens. Abgeleitet wird es von dem Wort "Taku", das Brennen bedeutet. Denn in früheren Zeiten benutzen die Fischer brennende Fackeln, um die Fische am Uferrand sehen zu können. Heute noch wird diese Art der Fischerei im flachen Bereich des südlichen Teils des Sees durchgeführt. Die Fackeln sind aber durch Lampen ersetzt worden.

 

 


Ikuya Yamamoto öffnet die Luke, in der die Beute gesammelt wird | Foto: Georg Berg


Die Boote legen bei Sonnenuntergang ab und setzen kleine unter dem Bug installierte Scheinwerfer ein, um schlafende Fische und Krebse mit Speeren (Mori) und kleinen Keschern (Cabuse Ami) zu fangen. Seit einem Erdbeben ist der Lake Hamana mit dem Pazifik verbunden und somit ein Salzwasser-See mit ruhigen Wellen und geringer Tiefe. Der See ist auch bekannt für Aale und Garnelen. In Ufernähe ist es leicht, den Grund des Sees und die im hellen Sand laufenden Krebse oder bedächtig schwimmenden Fische zu sehen. Als Teilnehmer dieser nächtlichen Fischerei kann man wählen, ob man den eigenen Fang mit nach Hause nehmen möchte oder den aktiven Part des Fischens noch mit einem Essen auf einem der schwimmenden Flöße verbinden möchte.

 


Speer und Stütze in einem. Der Mori hilft auch dem Jäger die Balance auf dem Boot zu halten. Angela Berg gemeinsam mit Momoko Takii von TSJ | Foto: Georg Berg

 

Erkenntnisgewinn: Die Jagd mit dem Speer als transformatives Erlebnis

 

Jeder Fisch und jedes Stück Fleisch, das ich in meiner Küche zubereite, wurde irgendwann von irgendwem getötet. Beim Speerfischen werde ich aber selbst zum Jäger und gerate in eine mental viel intensivere Rolle, als ich es als Käuferin beim Gang zum Fischstand auf dem Markt bin. Nachdem mir Ikuya den Mori übergeben hat, halte ich mich am Griff des langen zwölfzackigen Speers fest und habe ein mulmiges Gefühl. Ausgerechnet mein Jagdinstrument gibt mir Halt auf dem wackeligen Flachboot und ich bin dankbar, dass ich weiterhin am Ende der Nahrungskette stehe. Nun allerdings in der aktiven Rolle einer Jägerin. Das kostet Überwindung. Zu meiner großen Überraschung stelle ich mich ganz geschickt an. Da sich sowohl das Boot als auch das Tier bewegt, gilt es zu antizipieren, wo sich die Beute genau befindet, wenn ich mit meinem Speer zustoße. Die erlegten Fische oder Krebse werden mit Hilfe von Aussparungen in den Holzbrettern vom Speer abgestreift und füllen die kleine Fangkammer im Bootsrumpf.

 


Zacken, zwei scharfe Augen und eine ruhige Hand. Das Boot ist in Bewegung, der Fisch oder Krebs ebenfalls. Da heißt es antizipieren und sich mit Bedacht der Beute nähern | Foto: Georg Berg

 

Zwei Stunden Speerfischen vergehen wie im Flug. Mit Speer und Keschern ist es uns gelungen, ausreichend Meerestiere für unser Abendessen und auch noch für Ikuyas Familie zu fangen.  Wie viel einfacher ist es, bei meinem Fischhändler auf eine Forelle oder ein Rotbarschfilet zu zeigen! Aber was wir soeben erlegt haben, das essen wir auch gleich. Keine Transportwege, keine Verpackung, kein unerwünschter Beifang. Das nächtliche Speerfischen bleibt ein wirklich transformatives Erlebnis für mich, das nachwirkt.

 


Als weiteres Fangwerkzeug wird der Kescher eingesetzt um Fische zu fangen | Foto: Georg Berg

 

Das schwimmende Fisch-Restaurant und Krebse bei Mondschein

 

Sie sind Entertainer, Jäger und Koch zugleich. Die Fischer von Takiya-Ryo müssen nicht nur versiert sein im Umgang mit dem Speer und im Auffinden geeigneter Fanggründe. Sie sind auch geschickt und schnell im Putzen und Zubereiten der Tiere. Der aktive Part unseres Ausflugs auf den Hamana Lake ist für uns nun beendet. Wir nehmen Kurs auf ein schwimmendes Ponton. Mit simpelstem Equipment begibt sich Ikuya Yamamoto sofort an die Zubereitung des Fangs. Geschickt werden Fische geputzt und die Krebse kommen in den Kochtopf. Wir stellen neugierig Fragen und werden mit einem kühlen Getränk versorgt.

 


Schwimmende Kochstation: Hier wird von den Speerfischern der Catch of the Night fangfrisch zubereitet | Foto: Georg Berg

 


Fischer, Koch und Entertainer ein einem | Foto Georg Berg


Auf dem Nachbar-Ponton ist das Fisch-Essen bereits in vollem Gang. Eine Gruppe junger Leute sitzt fröhlich um einen Tisch. Der Bootsmann auf jedem "Takiya-tei"  bereitet die Meeresfrüchte als Tempura, als Miso-Suppe oder auf dem Grill zu. Frischer und unmittelbarer lässt sich diese alte traditionelle Art der Fischerei und ihre Zubereitung nicht erleben.



Gut gelaunte Gesellschaft auf dem schwimmenden Fisch-Imbiss | Foto: Georg Berg



Miso-Suppe mit frischem Fang. Ein selbst gefischter Krebs wird zum ganz besonderen kulinarischen Erlebnis | Foto: Georg Berg



Zimmer mit Blick auf eine Wasserstraße am Lake Hamana. Für das kulinarische Erlebnis “Speerfischen bei Nacht” empfiehlt sich eine Unterkunft direkt am Hamana See | Foto: Georg Berg

 

Haus am See - Übernachtung in einem japanischen Ryokan

 

In einem traditionellen Ryokan mit eigener Anlegestelle direkt am Hamana See verbringen wir die Nacht. Der Schlafraum ist mit Tatami-Matten ausgelegt. Die Fenster gehen zum See hinaus. Am Anlegersteg schlagen sachte Wellen an die Boote. Nach mehreren Stunden auf dem See habe ich auf dem Futon immer noch das Gefühl von Wasser und Wellen. Nach einem Abend auf dem Hamana See mit dem sehr besonderen Food-Abenteuer, gibt es am nächsten Morgen dann ein traditionelles japanisches Frühstück mit Miso-Suppe und viel Fisch.

 


Typisches japanisches Frühstück mit Fisch, Algen und Miso-Suppe | Foto: Georg Berg

 

Weitere Informationen zu Takiya-ryo, Speerfischen be Nacht:

 

Der Ausflug mit einem der Boote auf dem Hamana See dauert ungefähr zwei Stunden für das Speerfischen (Takiya-ryo) und drei bis vier Stunden, wenn man es inklusive Dinner auf dem Floß (Takiya-tei) bucht. Takiya-tei bedeutet ein Programm mit der anschließenden Zubereitung auf einem der Flöße. Gegessen wird dabei an einem flachen Tisch mit Sitzgelegenheiten auf dem Boden. Wird im Programm ein Takiya-Base angeboten, so ist das Floß mit Tischen und Stühlen im westlichen Stil ausgestattet.

 

Titelfoto: ©Georg Berg

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