Mit Games nach Japan reisen von Lukas Brehm
8. September 2022
Für die Vorbereitung der nächsten Japanreise bietet Lukas Brehm im Frankfurter Büro der Japanischen Fremdenverkehrszentrale Japan-Interessierten Beratung und Hilfe bei der Planung. Für Ihn waren japanische Videospiele einer der ersten Berührungspunkte mit dem Land, und die Gameskultur in Japan fasziniert ihn bis heute. Von den Gebrauchtspiele-Läden in Akihabara bis zur Spielemesse Tokyo Game Show sind die digitalen Spiele bei jeder Japanreise ein Thema.
Trotz der aktuellen Änderungen an den Einreisebestimmungen ist die Reise nach Japan leider noch immer nicht ganz ohne Einschränkungen möglich. Während manche von uns also noch weiter unsere nächste Japanreise planen, will ich euch heute in meinem Blog eine Möglichkeit vorstellen, euch ganz einfach hier und jetzt nach Japan zu begeben – ins virtuelle Japan! Denn Japan ist natürlich nicht nur das Ursprungsland vieler geliebter Videospielreihen und Konsolen, sondern eben auch Schauplatz in vielen phantastischen Games. Und mit der immer realistischeren Grafik, besserem Sound, und den stetig wachsenden Möglichkeiten für Spielentwickler, wirklichkeitsgetreue Welten in ihren Spielen zu erschaffen, können Games eine wirklich authentische Japanerfahrung sein, sowohl für Japanreisende, die Ihre erste Reise noch vor sich haben, als auch für Fans, die durch den virtuellen Japantripp in Erinnerungen schwelgen. Tauchen wir also ein ins digitale Japan!
Geister jagen in Shibuya
Schauplatz von Ghostwire: Tokyo vom japanischen Studio Tango Gameworks ist ein fantastisch nachgebauter Tokyoter Stadteil Shibuya, den ihr in diesem Action-Adventure aus der Ego-Perspektive erkunden könnt. Durch die Machenschaften eines finsteren Bösewichts verschwinden plötzlich alle Menschen in der Gegend rund um den Bahnhof Shibuya, und die reale Welt beginnt mit der Geisterwelt zu verschmelzen. Statt japanischer Büroangestellter, shoppender Teenager und Schülern auf dem Weg zur Schule übernehmen plötzlich allerhand gruselige Yokai die Straßen: Geister und Fabelwesen aus der japanischen Folklore. Als Spieler übernimmt man die Rolle des Protagonisten Akito, der zu Beginn der Handlung gerade um Haaresbreite einen Motoradunfall überlebt hat. Auf der Schwelle zum Tod wird sein Körper von einem Geist namens KK übernommen, der sich erstmal mit Akito darüber streitet, wer jetzt die Kontrolle über diesen Körper behält. Durch die Bedrohung durch die Yokai sind die beiden vorübergehend zur Zusammenarbeit gezwungen, und Akito erhält durch KK eine Reihe mystischer Fähigkeiten, die ihm im Kampf gegen die Yokai helfen.
Ich möchte hier nicht mehr über die Story des Spiels verraten, damit Ihr sie noch ungetrübt selbst erleben könnt. Der Grund, warum ich euch dieses Spiel vorstellen möchte, ist die unglaublich authentische und wirklichkeitsgetreue Inszenierung Shibuyas (wenn man von den ganzen Geistern und übernatürlichen Erscheinungen mal absieht). Für jemanden, der schon mal in Shibuya war, gibt es hier Aha-Momente, Referenzen und Deja-vues im Minutentakt. Das Spiel startet mitten auf der berühmten Kreuzung Shibuya Crossing, und führt einen kreuz und quer durch die Haupt- und Seitenstraßen des Stadtteils, und sogar hoch über die Dächer der Hochhäuser. Entlang der Straßen stehen die typisch-japanischen kastenförmigen Lieferwagen, an jeder zweiten Kreuzung findet man die allgegenwärtigen Getränkeautomaten, es gibt die typischen Convenience Stores, die man als Japanreisender schnell zu schätzen weiß und nicht mehr missen möchte, und die in mir etwas nostalgische Lust auf Onigiri ausgelöst haben.
Entlang der virtuellen Straßen gibt es Läden mit Auslagen voller Gegenstände aus dem japanischen Alltag und Verkaufsstände mit japanischen Snacks wir Dango und Takoyaki. Die Story führt einen durch U-Bahnstationen und durch ein Sento-Bad, und um die Nachbarschaften von der Geisterplage zu befreien, besucht man Shinto-Schreine mit großen, roten Torii, versteckt zwischen Hochhäusern, in Parks und am Ende kleiner Gässchen, die mich sofort daran erinnert haben, wie ich bei meinem ersten Besuch in Tokyo fasziniert davon war, beim Erkunden der Stadt über genau solche versteckten Schreine zu stolpern. Von den Häuserfassaden mit Leuchtreklamen, Hauseingängen mit Werbepostern und Aufstellern an der Straße, alten Telefonhäuschen mit den typisch-japanischen grünen Münztelefonen, bis hin zu Baustellenabsperrungen mit den rot-weißen Kegeln und gelb-schwarzen Absperr-Stangen, einfach alles an diesem virtuellen Ort ist mit enormer Liebe zum Detail dem realen Shibuya nachempfunden, wenn auch in gruseliger Atmosphäre bei Nacht und Regen.
© Bethesda Softworks / Tango Gameworks, via igdb.com
Tatsächlich wurden viele Orte, die man als Tourist in Shibuya als Landmarks oder Sehenswürdigkeiten besuchen würde, so wie Parks, Einkaufszentren, Hochhäuser mit Aussichtsplattformen etc. im virtuellen Shibuya entweder nachgestellt, oder zumindest als Inspiration für einen Schauplatz im Spiel verwendet. Und ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich, nachdem ich alle Yokai in der Gegend ausgetrieben habe, einfach nur durch die virtuellen Straßen gelaufen bin, und mir dabei vorgestellt habe, wieder in Tokyo zu sein. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Bethesda Softworks bedanken, dem Publisher von Ghostwire: Tokyo in Deutschland, die uns freundlicherweise eine Kopie des Spiels zur Verfügung gestellt haben, und mir damit meine virtuelle Shibuya-Reise ermöglicht haben. Das Spiel ist für PC und Playstation 5 verfügbar, falls Ihr euch selber im virtuellen Shibuya auf Geisterjagd begeben wollt.
Als Gangmitglied in Yokohama und Kabukicho
Als nächstes möchte ich euch nicht nur ein Spiel, sondern eine ganze Reihe von Spielen ans Herz legen: die Yakuza-Serie von Sega, im japanischen Ryū ga Gotoku (龍が如く, „Wie ein Drache“). In dieser Reihe, die ihr Debut vor vielen Jahren auf der Playstation 2 hatte, schlüpft man in die Rolle eines Mitglieds einer Yakuza-Bande, und durchlebt den mehr oder weniger dramatischen Alltag eines japanischen Kleinkriminellen. Die Spiele bedienen sich der Ästhetik und Handlungsbögen klassischer japanischer Yakuza-Filme und Kriminalromanen, spielen dabei aber clever mit dem ernsten, hardboiled Drama der Filme und überspitzen die romantisierende Darstellung der Yakuza-Gangster gerne ins lächerliche. Viele der Charaktere im Spiel wurden echten japanischen Schauspielern nachempfunden, die in Yakuza-Filmen mitgespielt haben, und die Synchronsprecher sind oft populäre Schauspieler, Seriendarsteller, Popmusiker und Promis. Darüber hinaus sind die Spiele voll mit Anspielungen und Zitaten auf japanische Popkultur, Kino, Manga, Anime und andere Spiele.
Von den fast 20 Spielen der Reihe wurden die meisten auch in westlichen Märkten veröffentlicht, anfangs in Englisch, mit zunehmendem Erfolg dann auch ins Deutsche übersetzt. Die jüngsten Episoden gibt es für den PC und die aktuellen XBOX und Playstation Konsolen.
Was diese Spielreihe für Japanfans so interessant macht, ist auch hier die unglaublich detailverliebte, authentische Nachbildung der Handlungsorte in Japan. So spielen die unterschiedlichen Teile der Reihe in digitalen Versionen von Kabukicho in Tokyo, Izesakicho in Yokohama, Dotonburi in Osaka, sowie an Schauplätzen in Hokkaido, Okinawa, Fukuoka, Nagoya und Hiroshima. Die Namen der Orte im Spiel wurden zwar immer leicht abgeändert, aus Kabukicho wurde im Spiel zum Beispiel das Stadtviertel "Kamurocho", dennoch sind die Vorbilder klar erkennbar.
© Atlus / Sega
Jedes Spiel präsentiert dem Spieler eine übergreifende Story, die sich an den Motiven der klassischen Yakuza-Filmen orientiert, wie Rivalitäten zwischen Gangsterbanden, Intrigen um die Führung der Organisation, Liebe und Verrat, die typischen Themen also. Die Figuren, die man als Spieler übernimmt, sind allerdings meist viel weiter unten in der Rangordnung angesiedelt, und müssen sich ihren Platz in der Yakuza-Organisation erst erkämpfen. Dies passiert buchstäblich mit den Fäusten, aber auch durch eine große Vielfalt an Minispielen, von Karaoke-Wettbewerben über Kart-Rennen, Golf, Baseball, Mahjong, Disco-Dance-offs oder das Management eines Nachtclubs. Durch das offene Design der Spiele ist es dem Spieler selbst überlassen, der Story zu folgen oder sich stattdessen den zahlreichen Nebenmissionen zu widmen, in denen der Charakter sich oft mit ganz mondänen Problemen des japanischen Alltags herumschlagen muss. Gerade in diesen optionalen Spielelementen kann man tief in die japanische Atmosphäre eintauchen und sich ein Stück Japan nach Hause holen.
Epische Samuraigeschichte in der Natur Tsushimas
Zuletzt möchte ich euch noch ein Spiel vorstellen, das nicht in einer modernen japanischen Großstadt spielt, sondern ein ganz anderes, aber dennoch sehr beeindruckendes Japanerlebnis bieten kann. In Ghost of Tsushima schlüpft man in die Rolle des Samurai Jin Sakai, der im 13. Jahrhundert auf der Insel Tsushima lebt, die zwischen Kyushu und Südkorea liegt, und der nach einer Invasion durch einen mongolischen Kriegsherrn die Freiheit der Insel zurückerlangen muss. Das Entwicklerstudio Sucker Punch hat sich für das visuelle Design des Spiels stark an den Samuraifilmen von Akira Kurosawa orientiert, es gibt sogar einen speziellen „Kurosawa-Modus“, der das Spiel optisch wie einen Schwarz-Weiß Film aussehen lässt.
Der Schauplatz des Spiels ist die Insel Tsushima, die geographisch korrekt im Spiel nachgebaut wurde. Die Entwickler haben dabei sehr großen Wert daraufgelegt, dass die Darstellung der Locations im Spiel die Natur Japans sehr authentisch wiedergeben. Es wurde sogar eine spezielle Technologie entwickelt, um den Wind zu simulieren, wie er durch die Bäume und gräsernen Felder weht, und Kirschblüten und Herbstlaub durch die Luft wirbelt.
Ich möchte die tolle Story des Spiels nicht übergehen, die inspiriert von realen historischen Ereignissen ein spannendes Samurai-Drama erzählt. Aber als Fan von Outdoor-Reisen in die Natur Japans ertappte ich mich auch bei diesem Spiel immer wieder dabei, die eigentliche Story fast zu vergessen, und einfach nur die Reise durch die wunderschöne Landschaft Tsushimas zu genießen.
© Playstation / Sucker Punch, via igdb.com
Das Spiel wurde vor zwei Jahren veröffentlicht, und war einer von Sonys erfolgreichsten Titeln auf der Playstation zu der Zeit. Der Erfolg und die Aufmerksamkeit auf das Spiel hatte auch für die reale Insel Tsushima einen positiven Effekt. Nachdem im Herbst 2020 ein Taifun an einem Schrein auf der Insel starke Schäden verursachte, wurden die Fans des Spiels auf eine Crowdfunding-Kampagne zur Reparatur des Schreins aufmerksam, und spendeten über 260.000$ um die Restaurierungsarbeiten zu unterstützen.
Mit Spielen nach Japan
Ich hoffe, ich konnte den Gamern unter euch ein paar Anregungen geben, wie ihr euch ins virtuelle Japan begeben könnt. Über die drei Beispiele hinaus gibt es selbstverständlich noch viele weitere Spiele, die in Japan spielen, z.B. die Rollenspiele der Persona- und Shin Megami Tensei Reihe, die Shenmue Reihe, sowie die Vielzahl an Visual Novel Games, deren Stories oft im japanischen Alltag angesiedelt sind. Für viele dieser Spiele brauch man dabei nicht mal mehr einen teuren Gaming-PC oder die neueste Konsole, selbst auf dem Smartphone ist die Auswahl mittlerweile groß.
Während wir also noch ein wenig länger darauf warten müssen, wieder uneingeschränkt nach Japan reisen zu können, können wir uns dank dieser Games doch zumindest in unserer Vorstellung schon jetzt Japan erkunden.
Kommentare und eigene Spiele-Tipps?
Wie sieht es mit euch aus? Lasst ihr euch auch schon mal von einem Spiel an einen anderen Ort versetzen lassen? Habt ihr noch weitere Empfehlungen für Games, die in Japan spielen? Kommentiert unseren Facebook- oder Instagram-Post zum Blog-Artikel. Ich antworte dort gerne auf eure Kommentare!.