Japans urige Onsen Quellen und die Faszination an der Nostalgie von Josko Kozic
13. 06. 2024
Wer an Japan denkt, hat oft klassische Bilder von Kirschblüten oder dem majestätischen Fuji im Kopf. Überraschenderweise prägen aber auch urige Kur- und Badeorte das echte Landschafts- und Kulturbild Japans. In diesem Beitrag möchte euch Josko von Tagara Japan den besonderen Charme dieser Orte näherbringen.
Japan ist reich an Thermalquellen und wer Japan bereist, wird schnell feststellen, wie tief das öffentliche Baden in der japanischen Kultur verankert ist. Das japanische Bad, sei es in Form einer natürlichen Thermalquelle (Onsen) oder eines öffentlichen Badehauses (Sentō), ist ebenso charakteristisch für Japans Straßenbild wie das lokale Postbüro oder der Kombini/Convenience Store um die Ecke. Neben den praktischen und wohltuenden Vorteilen als Heilbad (Tōjiba) hat das Baden in Japan oft auch einen rituellen Aspekt, der zu körperlicher und geistiger Reinheit führen soll (O-Kiyome). Vor allem jedoch stehen Onsen für das gesellschaftliche Miteinander. Bereits seit dem Mittelalter trafen sich dort nämlich Menschen aller gesellschaftlichen Schichten, angefangen von Samurai-Kriegern bis hin zu einfachen Bauern oder Mönchen sowie Handwerker*innen. Dieser bis in die Nachkriegszeit weit verbreitete Brauch des regelmäßigen Besuchs von Onsen oder Sentō nahm mit der Modernisierung und dem Aufkommen von Badezimmern in privaten Wohnungen jedoch allmählich ab und heute stehen besonders Onsen in Japan für zwei Dinge: geistige Erholung und körperliche Entspannung.
Uriges Onsen-Städtchen in Tottori
Eine Sinnesreise in Japans abgelegene Badeorte
Öffentliche Bäder findet man nach wie vor in Japan, besonders in ländlichen Regionen, wo die Bevölkerung oft älter ist und keine privaten Bäder hat. Manchmal ist es auch einfach angenehmer und geselliger, sich mit anderen Gästen zu unterhalten und gemeinsam zu baden.
Allen voran sind es die schön urigen Onsen und Sentō, die man in Japans ländlichen, unberührt-idyllischen Dörfern und Kleinstädten abseits der großen Städte findet. Ganz bezaubernde Onsen, die ihr auf jeden Fall einmal besuchen solltet sind:
- Hottarakashi Onsen (Yamanashi) - Eintritt auch mit Tätowierungen möglich!
- Tengu no yu (Tochigi)
- Takaragawa Onsen (Gunma)
- Kusatsu Onsen (Gunma)
- Futamata Onsen (Fukushima)
Auch im Südwesten Japans finden sich empfehlenswerte Onsen-Dörfer, darunter zum Beispiel:
- Togo-Onsen (Tottori)
- Onsen Misasa samt Ryokan Gasthaus (Tottori)
- Yunotsu Onsen (Shimane)
- Yumura Onsen (Hyogo)
- Kinosaki Onsen (Hyogo)
- Kinugawa Onsen (Nikko, Tochigi)
Togo Onsen
Die Dörfer und Städte der oben genannten Onsen haben oft einen historischen Stadtkern mit einer Poststation (Shukubamachi) und dienten während der Edo-Zeit als wichtige Rastplätze für Reisende aus dem ganzen Land. Heute öffnen viele Badehäuser in solchen Regionen noch in den frühen Morgenstunden und bieten dann vergünstigte Eintrittspreise an. Ein weiterer Vorteil für alle Frühaufsteher*innen: Weniger bis gar keine anderen Badegäste und viel, viel Ruhe für einen selbst.
Takaragawa Onsen
Hinabita und Hitō – Der mystische Zauber von Japans Geheimquellen
Thermalquellen und Bäder, die verborgen in der Natur oder weit weg von Wohngebieten liegen, werden auf Japanisch als Hitō („geheime heiße Quelle“) bezeichnet. Ob drinnen oder draußen, diese Orte mit ihrer oft spärlichen Ausstattung bieten eine einzigartige Szenerie und Atmosphäre, dessen Bann man sich nur schwer entziehen kann. Sie sind Zeitzeugen und vermitteln einen Eindruck davon, wie ein Großteil Japans vor dem wirtschaftlichen Aufschwung im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg aussah.
Für wie so viele, schwer zu übersetzende und erklärende Wörter von Stimmungen und Empfindungen kennt das Japanische auch in diesem Fall ein Wort, welches den urigen Charme solcher „geheimer Quellen“ bestens zusammenfasst: Hinabita. Dieser Begriff, übersetzt etwa als „rustikal“, vermittelt neben seiner eigentlichen Bedeutung zudem ein weit verbreitetes Gefühl in Japan: Nostalgie (Kyōshū). Selbst heute erfreut sich dieser Gemütszustand und sein passendes Adjektiv (Natsukashii) großer Beliebtheit bei vielen Japaner*innen, sogar bei der jüngeren Generation.
Ausblick vom Yunotsu-Onsen in Shimane
Nostalgie, Ruhe und Krafttanken in Japans Onsen
Dass viele Menschen eine besondere Verbindung zu alt aussehenden Szenen empfinden, liegt oft daran, dass es außerhalb der Ballungszentren wie Tokyo oder Osaka noch viele Orte gibt, die unverändert wirken und scheinbar vom großen wirtschaftlichen Wandel Japans übersehen worden sind. Ländliche und abgelegene Gegenden werden nämlich oft als „ursprüngliches Japan“ romantisiert und in lokalen Kampagnen für Stadterneuerung als „Kraftorte“ (Power Spots) inklusive ihrer heilenden Thermalquellen beworben - und das zurecht!
Man beschwört so auch die Vorstellung einer „ursprünglichen, japanischen Heimat“ (Furusato) herauf, die losgelöst von der „westlichen“ Großstadtwelt verstanden wird. In den letzten Jahren hat Japan mit einer starken Überalterung der Gesellschaft zu kämpfen. Besonders betroffen sind oft die ländlichen Gebiete, die unter Landflucht und der Entstehung von fast verlassenen „Geisterstädten“ leiden. Doch seit der Corona-Pandemie gibt es Veränderungen zu beobachten. Viele zieht es nun aufs Land, wo sie ein ruhigeres Leben abseits von Hektik und Stress suchen. Viele schätzen dabei besonders die „ursprüngliche“ Atmosphäre, die auf dem Land zu finden ist, und das unterstreicht Japans Image als „verträumtes Inselreich der Nostalgie“.
Uriges Poststädtchen mit Onsen in Hyogo
Ein Verein wirbt für Japans 100 beste „urige" Onsen
Gerade aber in solchen Orten schlummern oft wahre Onsen-Schätze und lokale Gemeinden sowie einzelne Personen sind stets daran bemüht, dem Verfall der Onsen zu trotzen, diese weiterzuführen, zu restaurieren oder komplett neu aufzubauen, dabei immer jedoch mit dem Motto: altes in neuem Charme aufwerten.
Eine Gruppe, bestehend aus Onsen-Fans aus ganz Japan, hat es sich zur Mission gemacht, für diese Art der ganz besonderen Onsen und ihrer Orte zu werben, diese aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, mehr Besucher*innen in die Regionen zu locken. Der „Forschungs“-Verein mit dem stolzen Namen Hinabita Onsen Laboratory sammelt auf seiner Webseite zahlreiche Tipps und Infos zu Japans versteckten Onsen, leider zurzeit jedoch nur auf Japanisch. Falls ihr trotzdem neugierig geworden seid, empfiehlt sich nicht nur der Besuch der vereinseigenen Internetseite, sondern auch ein Blick in die neuste Publikation, die aus dem Verein und seiner passionierten Hingabe entstanden ist: Eine Auswahl an 100 urigen Onsen. In dem Buch findet ihr unzählige Fotos, die bereits ganz für sich sprechen. Adressdaten sowie Telefonnummern der Onsen sind meistens auch mit angegeben, wie gesagt momentan nur auf Japanisch, aber an alle Interessierten: Aufgepasst! - Im Internet finden sich allerlei englischsprachige Webseiten mit wertvollen Adressen, zum Beispiel hier.
Onsen-Bibel
Die Tatsache, dass viele dieser Orte noch heute in ihrer alten Form samt ihrem besonderen Charme existieren, spricht für die Aktualität und die nach wie vor bestehende emotionale Bindung der Öffentlichkeit an Japans Onsen-Dörfer.
Diese Orte bilden nicht selten eine Metapher für alt und neu, sie stehen für die Mischung von Restaurierung und offensichtlichem Verfall und bleiben trotzdem - oder gerade deshalb - ein wichtiger Tourismusfaktor. Trotzdem gibt es immer noch eine Fülle an geheimen Onsen-Orten, die darauf warten, entdeckt zu werden, und die Japan gerade für viele Nostalgiker*innen und Romantiker*innen zu einem perfekten Reiseziel machen.
Zeit für Onsen Nostalgie
Konnte ich euch ein bisschen Lust machen auch kleine Onsen Orte abseits von Hakone und dem Gebiet um den Fuji oder auf der bekannten Onsen Insel Kyushu eine Chance zu geben? Mit meiner Expertise helfe ich euch gerne bei der organisation eigener ganz individueller Abenteuer in Japan - egal ob Onsen Abenteuer, Duftzeremonie, Tee-Experience oder Yabusame. Kontaktiert mich und das Team von Tagara gerne unter hello@tagara-japan.jp, wenn ihr Hilfe bei der Planung benötigt.